OJB B2 23

So fing alles an: B2 23 als Kaffeestube am Zibelemärit in Oensingen am 28. Oktober 1979. Auf Nachfrage konnte mir Walter Ruetsch verdankenswerterweise Fotos von diesem Einsatz zur Verfügung stellen. 28. Oktober 1979 Foto: Walter Ruetsch, Riedholz

1907 eröffnete die Langenthal – Jura – Bahn LJB die Strecke Langenthal – Niederbipp – Oensingen. Da der Personenverkehr auf Anhieb gut frequentiert war, wurden 1908, nur ein Jahr später, zwei zusätzliche Zweiachs- Personenwagen C 23 und 24 beschafft. Diese bestellte die LJB bei der Schweizerischen Wagons- und Aufzügefabrik AG Schlieren – Zürich SWS, anders als das ursprüngliche Rollmaterial, das bei der Prager Waggonfabrik Ringhoffer und für den elektrischen Teil bei Alioth Münchenstein gebaut wurde. Die C 23 und 24 hatten eine Länge von 9610 mm, ein Gewicht von 6,7 t und boten 30 Sitzplätze.
Die LJB und die Langenthal – Melchnau Bahn LMB fusionierten 1958 zur OJB, wo unser Wagen die Nummer B2 23 erhielt.

Die B2 23 und 24 wurden 1966 nebst anderen Wagen nach der Inbetriebnahme der neuen Pendelzüge Be 4/4 81 – 82 und Bt 101 ausrangiert. Der B2 23 stand noch bis 1973 neben dem Depot, wurde dann von einer Privatperson gekauft und entging so dem Abbruch.

Jahre später erzählte mein Fotokollege Walter Ruetsch, dass der Wagen im Oktober jeweils am Zibelemärit in Oensingen als Kaffeestube aufgestellt werde.

Da wir Bülacher schon einige Fotofahrten auf der OJB und SNB durchgeführt hatten und es ausser dem Dienstwagen X 92 (ex B2 16) keine Personenwagen Zweiachser mehr gab, wurde unser Interesse geweckt. Nach der Kontaktaufnahme mit dem Besitzer durften wir den Wagen besuchen. Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen. Der Wagen war unter Dach abgestellt und präsentierte sich in hervorragendem Zustand. Einseitig war er auf zwei angeschraubten Pneurädern aufgebockt. Die beiden Originalachsen waren unverändert am Wagen und die Gleitlagerbüchsen waren noch mit Öl gefüllt. Kupplungen und Bremsgestänge waren, soweit wir das beurteilen konnten, komplett vorhanden. Nur die Inneneinrichtung fehlte grösstenteils. Unser Ziel war nun klar: dieser Wagen muss für eine Fotofahrt zurück auf die OJB. Der Besitzer gab nach kurzem Zögern das Einverständnis, unter der Bedingung, dass er für nichts haftbar sei.

Dank unseren langjährigen Kontakten zur OJB konnten wir die Bahn für eine Besichtigung gewinnen, die ebenso positive Eindrücke hinterliess. Wir bekamen somit auch von der OJB das OK für die temporäre Rückkehr!

Das nächste Hindernis bestand darin, den Wagen von Oensingen nach Niederbipp zu bringen. Der Besitzer konnte uns sagen, dass für die Fahrt zum Zibelemärit jeweils ein Lastwagenabschlepper die Seite ohne Pneurad auf einen fahrbaren Hebebock stelle und so den Wagen hinschleppe, ähnlich wie man das mit einem Lastwagen machen würde. Ich kontaktierte den Unternehmer und er sagte zu, sofern auch die Polizei mitmache. Das Telefon mit der Polizei war sehr bemerkenswert. Man wurde von einer völlig ungewohnten Situation überrumpelt und ich bekam zwar kein OK, aber man sicherte mir zu, dass in der Zeit unserer Ueberfuhr keine Patrouille in der Nähe sei. Ich solle eine verkehrsarme Zeit wählen und sie darüber informieren. So was wäre in der heutigen reglementierten Zeit absolut undenkbar!

Am 16. März 1984 war es dann so weit: Der Abschlepplastwagen mit Kran, zu unserer Freude ein schöner MAN Oldtimer, stand vor der Werkhalle in Oensingen und holte den B2 23 ans Licht.
Diese Geschichte zeigt die Überfuhr nach Langenthal. Was mit dem Wagen an der Fotofahrt alles geschah, folgt vielleicht in einer späteren Geschichte…

Der MAN- Lastwagenabschlepper mit Gewichten auf der Ladefläche und Kran zieht den auf einem Hebebock aufgeladenen B2 23 aus der Werkhalle. 16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
Der ungewöhnliche Transport unterwegs auf der Hauptstrasse bei Oensingen. 16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
Kurzer Zwischenhalt um den übrigen Verkehr durchzulassen. Der B2 23 berührt die Strasse nicht dank dem fahrbaren Hebebock vorne und den angeschraubten Pneurädern hinten. Diese bilden eine stabile Dreipunktlagerung. 16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
Das Zwischenziel Niederbipp ist erreicht. Noch steht der B2 23 mit seiner Strassenausrüstung quer zu den Schienen…
16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
Der Wagen wurde in Niederbipp beim Güterschuppen über das eingeteerte Rillengleis manövriert. Durch das Absenken des fahrbaren Hubbocks konnte das erste Rad in die Schienen gesetzt werden. Nun wurde der Wagen gesichert und die andere Seite angehoben. Ich kann nicht mehr sicher sagen, ob mit dem Kran des Abschlepplastwagens, oder dem Hebebock. Die nicht mehr belasteten Pneuräder wurden weggeschraubt und die zweite Wagenachse ins Rillengleis abgesenkt. Von dieser Aktion habe ich keine Fotos, da ich aktiv mithalf.
Diese Aufnahme stammt vom Rücktransport und entstand in Niederbipp, wo der Wagen wieder seine Strassenausrüstung erhielt, die gut sichtbar ist. Im Hintergrund neben dem Güterschuppen steht der Be 4/4 80 (ex Biasca – Aquarossa ABe 4/4 5), der den Wagen von Langenthal nach Niederbipp brachte. 10. Oktober 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
Zu unserer Freude stellte die Bahn den passenden BDe 4/4 5 der SNB für diese Ueberfuhr von Niederbipp nach Langenthal bereit. Die GF Kupplung des B2 23 funktionierte auf Anhieb! Das Bremsgestänge wurde vorher zurückgestellt und blockiert, der Wagen war also ungebremst. Zuerst ging es in Langsamfahrt (ich schätze vmax 20 km/h) bis zur ersten Ausweiche in Holzhäusern. Hier wurden während einem geplanten Diensthalt alle Lager geprüft und alles war perfekt ok. Also ging es etwas schneller weiter…
16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
16 Jahre nach seiner Ausrangierung durchquert der B2 23 wieder Aarwangen. . 16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach
Das Ziel Langenthal ist ohne Zwischenfälle erreicht. In der Werkstätte im Hintergrund wurde der B2 23 nochmals geprüft und bereit gemacht für seinen Auftritt an der Fotofahrt. Zur Freude aller konnte auch die Bremse mit etwas Schmieren wieder einsatzbereit gemacht werden. Angedacht war: Der Wagen bleibt ungebremst aber mit funktionierender Durchgangsleitung für nachfolgende Wagen.
16. März 1984 Foto: Edi Meier, Bülach

Der Wagen B2 23 ging zum Bedauern der OJB nach der Fahrt wieder zurück an den Besitzer in Oensingen.

Werner Hardmeier restaurierte und baute mit seinen Schülern im Fach „Werken“ nach dem Muster eines Original Holzbanks weitere Holzbänke auf die noch vorhandenen Originalgestelle mit Gepäckablagen. Diese wurden grosszügig abgeschliffen, grundiert und mit Silberfarbe neu gestrichen. Zu guter Letzt wurden die Gestelle wieder montiert, so dass der Wagen wieder original bestückt war.

Nach dem Tod des Besitzers konnte Walter Ruetsch den B2 23 bei einem Bauern in der Gegend von Oensingen sehen.

Später kam er ins Eisenbahnmuseum Kallnach wie eine Foto vom 16.10.2013 auf Bahnbilder.de beweist.

Nach Auflösung dieser Sammlung wurde der Wagen 2018 von Kleinbaan Service gekauft und zusammen mit weiteren Fahrzeugen anderer Bahnen in die Niederlande gebracht, wo er als „abgestellt“ gilt.

 

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