Die lokale Schmalspurbahn im Maggiatal war schon ernsthaft von der Einstellung bedroht, als Daniel Heer vermutlich 1964 oder 1965 ins Tessin reiste, um sie zu fotografieren. Die grossformatigen Negative sind leider noch nicht so akribisch dokumentiert wie seine späteren Kleinbildaufnahmen. Unser Tessiner Kollege Sebastiano Mattei konnte aber die Aufnahmeorte lokalisieren und die Bilder mit interessanten Informationen ergänzen.
Diese Schmalspurbahn nahm 1907 als Ferrovie elettrica Locarno – Ponte Brolla – Bignasco (elektrische Bahn Locarno – Ponte Brolla – Bignasco) LPB den Betrieb auf. In technischer Hinsicht wies sie einige einzigartige Merkmale auf. Die Strecke startete neben dem SBB Bahnhof Locarno und führte zuerst durch die Stadt Locarno auf gemeinsamen Geleisen mit dem Tram Locarno, das mit Wechselstrom 800V 20Hz elektrifiziert wurde und kurze Zeit später den Betrieb aufnahm. Ausserhalb des Stadtbereichs wurde die Wechselspannung deutlich erhöht und mit 5000V 20Hz eingespeist, um die Verluste über grössere Distanzen zu reduzieren. Dazu waren am Transformator der Triebwagen zwei verschiedene Hochspannungs- Einspeisungen vorhanden. Es war dies die erste kommerzielle Anwendung der elektrischen Wechselstromtraktion, die von MFO auf der Versuchsstrecke Wettingen – Seebach erprobt wurde und man übernahm einiges an Technologie wie die seitliche Fahrleitung mit dem rutenförmig gebogenen Stromabnehmer. Die Bahn diente dem Personen- und dem Güterverkehr, der durch den Transport von Granit aus dem Steinbruch von Riveo geprägt war.
1923 wurde die Centovallibahn Locarno – Domodossola mit 1200 V Gleichstrom eröffnet, die mit der Maggiatalbahn die ersten 10 km der Strecke bis Ponte Brolla teilte. Um weiterhin durchgehende Züge anbieten zu können, wurde die Maggiatalbahn 1925/ 26 umelektrifiziert. Die Originaltriebwagen 1 – 3 der LPB erhielten von BBC eine neue elektrische Ausrüstung für Gleichstrom mit Pantograf in Wagenmitte. Der kuriose Bogenstromabnehmer blieb ab Ponte Brolla jedoch im Einsatz. Während der Umbauzeit waren unter anderem die zwei Dampflokomotiven G 3/4 7 und 8 der Rhätischen Bahn RhB im Einsatz.
Vierzig Jahre später war die Maggiatalbahn stark abgenutzt, da Investitionen fast ausschliesslich in die Stammstrecke nach Domodossola flossen und sie hatte immer mehr Schwierigkeiten angesichts der Konkurrenz durch das Auto. Das damalige politische Klima sah im Bus den Fortschritt und sprach sich gegen die Modernisierung von Eisenbahnen aus. 1965 fuhr leider der letzte Zug. Der Bus verkehrte 9 Mal pro Tag, gleich häufig wie vorher die Bahn.
Es fällt auf, dass die gleiche Komposition mehrfach fotografiert wurde während sie die charakteristischen Landschaften des Tals auf der gesamten Strecke durchquert. Entweder war Daniel Heer mit dem Auto unterwegs, oder er war mit Gleichgesinnten auf einer Fotofahrt. Die Zusammenstellung des Zuges und die Tageszeiten weisen auf Zug 442 hin, weshalb wir bei den Bildlegenden mit dieser Annahme kommentieren.

Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-007

Das einstige Bahntrassee ist auch heute noch gut erkennbar und wird als getrennter Veloweg genutzt.
Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-008

Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-005

Die Fahrzeit betrug 1 Stunde und 30 Minuten für knapp 30 km (tarifarisch gemäss Kursbuch waren es allerdings 43 km) Der Zug 442 übernahm dank des gedeckten Güterwagens K103 auch den Güterverkehr.
An Feiertagen, wenn der Güterverkehr eingestellt war, wurde der in 444 umbenannte Zug um 18 Minuten beschleunigt.
Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-006


Die Abfahrt als Zug 449 ist erst um 12:35 Uhr fahrplanmässig geplant, es gibt also mehr als eine Stunde Pause.
Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-012

Die Bahn kreuzte mehrfach die Kantonsstrasse, was bei der Entscheidung über eine Modernisierung, oder eine Betriebseinstellung gegen sie spielte. Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-012a

Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-013

2020 wurde sie wieder instand gesetzt und seither für den Velo- und Fussgängerverkehr genutzt.
Die Brücke erlangte im Jahr 2024 eine gewisse Berühmtheit, als sie nach dem Einsturz der benachbarten Landstrassenbrücke beim Unwetter vom 29. / 30. Juni 2024 für einige Wochen die einzige Verbindung mit dem oberen Teil des Maggiatals blieb und im Einspurverkehr auch von PKW und leichten Lieferwagen befahren wurde. 15.10.2006 Foto: (c) Edi Meier, Bülach

Die Fahrgäste mussten direkt auf dem Schotter aussteigen, einen Perron gibt es nicht. Interessant ist, dass an diesem Tag die beiden nicht modernisierten Triebwagen 2 und 3 im Einsatz standen. Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-015


Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-017

Foto: (c) Daniel Heer/bahnarchiv.ch, SGEG DH A SWN120 FART-020
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